Mittwoch, 9. März 2011

Kann sterben wer nicht wirklich lebt? (Ein Protestbrief Eurer Avatare)

„Wenn mein virtuelles Ich stirbt, sterbe ich dann auch?“ Eine beliebte Frage in diversen Zukunftsromanen der Vergangenheit. „Hoffentlich nicht!“ sollte die Antwort heute heißen, denn zahlreiche Todesfallen lauern auf unsere Avatare im Internet. Ein Avatar ist eine künstliche Person oder ein grafischer Stellvertreter einer echten Person in der virtuellen Welt. (1) Im übertragenen Sinn steigt Ihr als menschliche „Gottheit“ hinab in die virtuellen Welten des Internet und lasst Euch dort von Eurem Abbild aus Profilbild, Geburtstag und Handynummer vertreten, in Facebook, Twitter, Xing, ... (2) Avatare repräsentieren Euch (oder ein fiktives Ich von Euch) im Netz. Und Dank der allseits beliebten Apps tauschen sie sich untereinander aus. „Hey Twitter, schon gehört? Mein Avatar mag folgendes Video auf YouTube…“ (3)

Gäbe es eine Internetgewerkschaft, sicherlich würden sich viele Avatare zusammenschließen und für Ihre Grundrechte streiten. Gegen die Todesstrafe zum Beispiel. Einmal gegen die Nutzungsregeln verstoßen? (4) Das könnte bereits den Tod für Eure Präsenz in Facebook bedeuten. Schaut dieser Tage lieber zweimal, bevor Ihr auf ein lustiges Video klickt und damit eine neue Spamwelle anstoßt. (5) Auch unerlaubtes Zitieren kann schnell problematisch werden. Avatare treten nicht von Ihrem Amt vorübergehend zurück, Sie werden eliminiert. Für Euch vielleicht wichtig als Verbindung zu 350 Freunden, für den Plattformanbieter einfach nur ein „Account“. (Und wie Avatare sterben kennt Ihr aus TRON) (6)

Dann gibt es da noch das bedauernswerte Schicksal tausender Profilleichen, Avatare im Koma quasi (ohne Sterbehilfe). Vom Nutzer vergessene oder durch herzlose Computersysteme erstellte Profile, ohne Bild und ohne Statusupdate dahinvegetierende Bits. (7) Nehmt Euch bitte ein Herz und einen Abend Zeit, Ihnen den Weg in den Internethimmel der gelöschten Profile zu ebnen (auch wenn das mitunter länger dauert als die Geburt / Registrierung).

Und schließlich und abschließend noch ein ernstes Thema. Was passiert aus Avataren, deren Eigentümer verstorben ist? „Bin mal kurz weg“ ist sicherlich nicht der beste letzte Satz. Und es gibt noch geschmacklosere „letzte“ Aktivitäten. Lest einfach mal Eure letzten 20 Nachrichten. Die Idee aufgegriffen (aber noch nicht so etabliert wie ein klassisches Bestattungsunternehmen) hat My Webwill in Kooperation mit Symantec. (8)

Ich wünsche Euch (und Euren Avataren) ein friedvolles und langes Leben (9)

Oliver


PS.: Wer dieses Thema sterbenslangweilig fand, schreibt mir einfach mal seinen Wunsch via Twitter oder Facebook.

1) http://de.wikipedia.org/wiki/Avatar_(Internet)
2) Videotipp: Southpark zum Thema Facebook / TRON, auf http://www.southpark.de/clips/sp_vid_269226/ und auf YouTube
3) YouTube-Infos in andere Netzwerke pusten, http://www.youtube.com/account_sharing (setzt natürlich einen Account voraus)
4) Nutzungsbestimmungen facebook, https://www.facebook.com/terms.php?ref=pf
5) Würmer auf Facebook und MySpace, http://www.kaspersky.com/news?id=207575670
6) aktuelle Infos zu TRON auf Facebook, https://www.facebook.com/Tron
7) "Profilleichen" aus dem Blog "Liebe, Sex und ander Peinlichkeiten", http://elizalilienstein.de/archives/73
8) „My Webwill allows you to make decisions about your online life after death. You can choose to deactivate, change or transfer your accounts, like Twitter, Facebook or your blog. At the time of your death we perform your wishes.“, https://www.mywebwill.com/
9) In Anlehnung an den Gruß „Live long and prosper“, http://en.wikipedia.org/wiki/Vulcan_salute

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